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Den Arbeitsvertrag bekam ich, ohne eine Bewerbung verfassen zu müssen. Ich rief in Pankow an und bekam einen Termin bei der Personalabteilung. Sicherlich war meine Kaderakte schon vor mir da.

Die Dame dort war sehr nett und freute sich auf mich. Die Planstelle, die ich besetzen sollte, war schon seit zwei Jahren unbesetzt. Und ich war der Trottel, der das verändern würde.

Ich wurde vier Monate eingearbeitet. Im Prenzlauer Berg. Meine Mentorin war ca. 30 Jahre alt und wußte alles, was man wissen muß. Sie verriet mir alle Geheimnisse, die wichtig waren. Ich wußte nach den vier Monaten, worauf es ankommt.

Anfang Januar begann ich in Treptow auf der vorgesehenen Planstelle. Ich war gerade 24 geworden – meine Abteilungsleiter aber zwischen 50 und 60 Jahre alt. Keiner von denen wollte die Stelle haben. Also waren sie neugierig auf diesen Hochschulabsolventen, der sich geopfert hatte.

Wir kamen gut klar. Sie akzeptierten mich und hielten sich an die Anweisungen. Ich war der Stellvertreter des Direktors, der mit Alkoholproblemen kämpfte. Also mußte ich ihn ziemlich oft vertreten. Ich wuchs ja auch an meinen Aufgaben.

Morgens um 7.30 Uhr bestellte ich immer alle zum Rapport. Große Runde, in der ich abfragte, ob alle Aufgaben vom Vortag erledigt waren. Klare Linie und manchmal mit der Faust auf den Tisch hauen. Funktionierte ganz gut.

Mitte Januar stand plötzlich eine Frau in meiner Bürotür. Die sah umwerfend aus. Eine Abteilungsleiterin, die gerade aus dem Baby-Urlaub zurückkam. Sie hatte zwei Kinder und war frisch geschieden. Und ich wahrscheinlich ein potentielles Opfer.

Jedenfalls schaffte sie es, daß wir nach dem Betriebsausflug (Schiffahrt auf dem Großen Müggelsee mit Alkohol) im Stehen an einem Baum im Treptower Park vögelten. Am nächsten Tag war ich wieder ihr Chef.

Mein Chef ging im Sommer für sechs Wochen auf Entziehungskur. Er übergab mir die Schlüssel für den Tresor – da waren angeblich wichtige Unterlagen drin. Als ich den öffnete, sah ich nur Schnapsflaschen und wenig Papier.

Nun hatte ich den ganzen Laden allein an der Backe. Ganz viele Termine, die mir die Chefsekretärin morgens mitteilte. Reden halten, Hände schütteln und wichtig tun.

Abends kamen dann die Unterschriftenmappen rein, die ich flüchtig durchsah und fast überall mein Wilhelm hinkritzelte. Manchmal auch nicht.

Es war Stress ohne Ende. Ich war jeden Tag 12 Stunden beschäftigt. Und abends wie erschossen. Ich hoffte, daß dieses Arschloch von Chef mal wieder auftauchen würde. Ich wollte zurück in mein ruhiges Büro und nicht ständig im Mittelpunkt stehen.

Zum Glück tauchte der nach acht Wochen wieder auf. Ich trat sofort meinen Urlaub an – das war im Spätsommer 1989. Als ich wiederkam, war die DDR so gut wie weg. Aber das wissen ja alle.

So war das damals.