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Nach meiner Ausbildung als Sanitäter in Magdeburg wurde ich in den Kompanietrupp aufgenommen. Das bedeutete ein Zweimannzimmer. Dort hauste der Schreiber der Kompanie. Natürlich ein EK. Aber der war gemütlich und ruhig.

Der Schreiber bestimmte, wer in den Ausgang durfte. Er saß zusammen mit dem Spieß in einem Zimmer und entschied, welchen Antrag der Spieß überhaupt zu sehen bekam. Der Schreiber besaß eine Läuferkarte.

Läuferkarte? Mit der konntest du jederzeit das Objekt verlassen – natürlich nur in kaserneneigenen Sportklamotten. Aber du warst dann draußen. Ich hatte nur sechsmal Ausgang in 18 Monaten – da war das wichtig.

Der Schreiber „vererbte“ mir seine Läuferkarte, bevor er entlassen wurde. Das war ein Stück Freiheit. Nun konnte ich jederzeit die Kaserne verlassen. Erlaubt war nur, um die Kaserne zu laufen. Interessierte mich nicht.

Ich lief quer durch den Wald und landete nach ca. 5 km an einem wunderschönen See. Dort war ein Zeltplatz und auch eine Kneipe. Da war ich dann Stammgast. Niemand störte sich an den häßlichen Sportklamotten, da die 2000-Mann-Kaserne nicht weit weg war. Alle wußten, wie beschissen es ist, dort eingesperrt zu sein.

Ich nutzte diese Karte auch für Besuche von meinen Eltern. Sie warteten mit dem Lada vor der Kaserne und hatten Zivilsachen für mich dabei. Also umziehen im Auto und dann irgendwohin zum Essen fahren. Das war riskant – aber daran dachte ich fast nie.

Wegen diverser Vergehen hatte ich fast immer Ausgangssperre. Mit einer Pulle Schnaps am Eingangstor erwischt, vom OvD während des Frühsports unsanft im Bett geweckt u.ä.

Ich sollte eigentlich ein „Mistbeet“ werden. Mistbeet bedeutete vorzeitige Beförderung – also ein Balken auf der Schulter. Ich spielte zu oft den UvD, und ein Balken wäre da sicherlich angebracht. Dachte der KC.

Hätte fast geklappt. Aber der OvD hatte mich ja schlafend im Bett erwischt. Wurde also nichts mit dem Balken. Mir war das alles egal. Ich hatte meine Läuferkarte, die man mir nicht wegnahm.

Nun schob ich noch mehr 24-h-Dienste als UvD. Blumi und ich wechselten uns ständig ab. Der Spieß war der Meinung, daß der Waffenwart und der Sanitäter zu wenig Beschäftigung hatten. Stimmt ja auch – wir spielten sonst nur Schach. Oder ich war als „Sportler“ am See. Und Blumi fuhr oft abends nach Hause – der durfte das als Dreiender.

Ich zählte die Tage bis zur Entlassung – das machte wohl jeder in der Kaserne.

Schon im zweiten Diensthalbjahr machte man sich Gedanken um das „Maßband“. Das Maßel. So hieß das bei uns. Die EK’s waren gnädig und gaben gute Tipps. Ich besorgte mir eine Kapsel von der vierzehnfünfer Munition. Und als Ersatz noch eine Plastikkapsel aus einem Überraschungsei.

Ein Maßband in der DDR war genau 150 Zentimeter lang. Also 150 Tage, die man jeden Tag um einen abschnitt. Und das Maßel trug man ständig bei sich. Es ging ja darum, dieses möglichst oft den Frischen zu zeigen.

Sehr kindisch – aber notwendig. Aberglauben war auch dabei. Nachdem man die „133“ (Armeeknast Schwedt) abgeschnitten hatte, war alles gut. Die 132 Tage würden jetzt auch noch rumgehen. Irgendwie.

So war das damals.