Schlagwörter
Abitur, DDR, Deutschland, Dialog mit Sohn, Erziehung, Fragen, Prüfungsangst
- Papa, hattest du Prüfungsangst?
- Nee. Ich wußte doch, was ich begriffen hatte. Ich habe wenig pauken müssen. Alles was logisch war, blieb bei mir im Gedächtnis hängen. Einfach so.
- Es gab kein Fach, für das du pauken mußtest?
- Doch. Russisch. Da habe ich wochenlang mit meiner Freundin geübt. Mein Lehrer wollte mich auf eine Eins bringen. Also mußte ich in die mündliche Prüfung. Und davor hatte ich tatsächlich Schiß.
- Wie ist das ausgegangen?
- Ich hatte einen Vortrag über Академгородок geplant und mit meiner Freundin einstudiert. Wir haben ganz viele Nachmittage damit zugebracht. Sie war in Russisch eine glatte Eins. Wie das ausgegangen ist? Ich habe meine Zwei verteidigt. Eine Eins war für mich nicht realistisch. Das wußte ich. Gespräche mit Russen waren kein Problem – aber meine Grammatik war nicht fehlerfrei. Dafür bekam sie von mir Nachhilfe in Mathe und Physik. Meine Paradefächer.
- Hmmh.
- Wo drückt der Schuh?
- Kristine und ich haben auch ein wenig Schiß vor den Prüfungen. Gibt es ein Mittel gegen Prüfungsangst?
- Vielleicht. Ich kann dir nur erzählen, was ich beim Studium in Leipzig gemacht habe. Willst du das wissen?
- Ja.
- Vor den mündlichen Prüfungen hatten wohl alle Schiß. Besonders die Mädchen. Die saßen bis tief in die Nacht und lernten. Ich bin abends mit ein paar Kumpels in eine Kneipe gegangen. Wir haben ordentlich Bier gesoffen und nicht an die Prüfung gedacht. Das Gehirn braucht Ruhepausen. Das wußte ich intuitiv. Meine mündlichen Prüfungen liefen nach so einem Saufabend wie geschmiert. Ich hatte keine Angst, sondern mußte mich nur vernünftig benehmen. Die Prüfungskommision nicht mit meiner Alkoholfahne belästigen. Möglichst wenig atmen – und auch keine Luft ausstoßen.
- Papa – verarscht du mich?
- Nee. Ich sage dir nur, wie ich das gemacht habe.
- Ich trinke keinen Alkohol.
- Habe ich beim Abitur auch noch nicht gemacht. Okay. Vor den Abi-Prüfungen habe ich abends einen halben Liter warmen Kakao getrunken. Und wenn es ging auch mit meiner Freundin geschlafen. Danach war ich entspannt und bereit, die Welt zu erobern …
- Also was sollen wir jetzt tun?
- Am Abend vor der Prüfung völlig abschalten. Alle Bücher und Hefte liegen lassen. Nicht an die Prüfung denken. Das wollte ich damit sagen. Das hilft. Vertraut eurem Gehirn und gönnt ihm eine Pause. Dann klappt das schon. Das ist zumindest das, was ich erlebt habe.
- Also Kakao und mit Kristine schlafen …
- So ungefähr. Wäre das so schlimm?
- Nö. Wir werden das ausprobieren.
- Rufst du mich an nach der ersten Prüfung?
- Ja Papa. Ciao.
- Ciao Sohn.
Telefonat beendet.
Ist das echt so bei euch beiden? Diese Gespräche sind wunderbar.
Grüße von Sabine
Moin Sabine,
hier ist alles echt. Ostdeutsch und nicht verfälscht. Du weißt schon, was ich damit meine.
In Russisch mußte ich auch in die Mündliche, allerdings ging um 2 oder 3. Am Ende der Prüfung waren die sich immer noch nicht so einig, da frug ich, ob ich etwas vorsingen solle. Dann kam mein Auftritt: „Славное море священный Байкал“. Alle (3 glaube ich?) Strophen – ich bekam meine 2.
Musik und Sprachen waren meine Spezialstrecke. 😉
Lustig – Frank singt in der Russischprüfung. Ein feines Lied übrigens.
Mein Lieblingslied war allerdings Партизаны Амура – weil man da brüllen konnte und manchmal nur flüstern durfte. 🙂
Vielleicht muß ich hier noch eine Kategorie für russische Volkslieder aufmachen. 🙂