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Montezumas Rache nannten das einige Schadenfrohe. Bodo war jetzt zum zehnten Mal schnell im Gebüsch verschwunden, um sich zu erleichtern. Das Klopapier war schon längst alle; aber er mußte trotzdem ständig.

Sie wanderten nun schon seit zwei Stunden den Sinai hinauf und es war immer noch stockfinster.

Bodo hätte sich den grünen Salat sparen sollen. Aber jetzt war es zu spät. Und ebenso verstand er im Moment nicht, was er überhaupt im Sinai wollte. Das Hotel in Sharm El-Sheikh war mitten in die Wüste gesetzt und außer Wasser, Wüste und Berge gab es hier nichts.

Vor 3 Tagen war Bodo mit einem Taxi zu einem berühmten Tauchgebiet gefahren. Unterwegs gab es fünf Straßensperren, an denen bärtige Männer mit Kalaschnikows rumlungerten. Jedesmal gab es ein lautes Wortgefecht mit seinem Fahrer. Jedesmal ging das gut aus.

Die nächste Rast. Eine Hütte mit Beduinen. Wieder der bittere Tee. Aber zumindest war es warm. Denn Bodo war auch etwas zu leicht angezogen für eine Bergwanderung.

Irgendwie mußte er jetzt an das Făgăraș-Gebirge denken. Dort kraxelte er eine Woche über den Kamm – aber es war nie so kalt. Und er hatte auch keinen Durchfall. Überhaupt war das Leben damals in den 80ern lustiger. Er studierte Theologie und nutzte jeden Sommer zum Reisen.

1989 bekam er seinen Abschluß. Kurz danach verschwand die DDR. Er zog von Erfurt in eine kleine bayrische Stadt und trat dort ein Pfarramt an. Und da war er heute noch. Eigentlich müßte er rundum zufrieden sein. Doch warum kraxelt er dann am Ostersonntag auf diesen Berg?

Mittlerweile war die Dunkelheit einer zarten Dämmerung gewichen. Nebelschwaden stiegen auf. Und es wurde noch kälter.

Bodo hatte 1993 eine Frau kennengelernt. Eine aus Bayern. Nach der Heirat kamen drei Kinder – das jüngste ist jetzt 20 und studiert in Tübingen. Theologie.

Die Scheidung verlief unkompliziert. Bodo zog aus dem gemeinsamen Haus aus und fand eine kleine Wohnung. Zwei Zimmer mit Balkon. Mittlerweile spricht er schon etwas bayrisch. Aber sehr dürftig. In seiner Gemeinde ist ein Kenianer, der perfekt bayrisch kann.

Das Leben ist ungerecht. Denkt Bodo. Manchmal überlegt er, zurückzugehen. Nach Erfurt. In seine evangelische Gemeinde. Dort soll bald ein Pfarramt frei werden.

Andererseits ist er so lange weg, daß er schon keine Kontakte mehr hat. Deshalb schiebt er jede Entscheidung auf.

Sie waren jetzt oben. Die Sonne ging auf. Eine japanische Reisegruppe besang den Sonnenaufgang. Das Bild war so kitschig, daß Bodo sich weit fort wünschte. Zumindest bis zum Katharinenkloster. Denn das wollte er noch besichtigen.

Er wollte immer Geschichte studieren, aber sein Vater war dagegen. Deshalb stand er jetzt hier und wartete sehnsüchtig auf den Abstieg. Sein Vater war schon lange tot. Seit dem Karfreitag 1993. Er ist nicht auferstanden.