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Katrin war im Arbeiter – und Bauernstaat aufgewachsen. Sie hatte eine glückliche Kindheit und dann ein wirklich interessantes Studium abgeschlossen. 1990 veränderte sich alles, aber Katrin gehörte zu den Gewinnern.

Es war ein Glücksfall. Sie schlüpfte in ein Ministerium. Durch den Regierungs-Umzug nach Berlin kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück. Jetzt mit 55 Jahren ließ es sich gut leben. Sie hatte nie geheiratet und auch keine Kinder. Genau genommen war da nichts außer dem sicheren und gut bezahlten Job.

Jedes Jahr spendete sie eine beträchtliche Summe an Hilfsorganisationen. Das beruhigte ihr Gewissen. Denn sie sah die Armut tagtäglich auf dem Weg zur Arbeit. Mitten in Ostberlin Obdachlose. Undenkbar – zumindest was die Zeit der DDR betraf.

Nirgendwo schliefen Menschen unter Brücken oder über Luftschächten. Sie kannte Ostberlin wie ihre Westentasche. Damals – in den 80ern – studierte sie an der Humboldt. Und abends zog man quer durch alle Diskotheken und Studentenclubs.

Das Leben kostete kaum Geld. Mit dem Stipendium und gelegentlichen Aushilsarbeiten war alles finanzierbar.

Nun aber sah sie jeden Tag diese sogenannten Globalisierungsverlierer unter der Brücke. Der eine hatte keine gute Iso-Matte. Und auch der Schlafsack war nicht winterfest. Katrin kannte sich damit aus. Schließlich war sie jahrelang getrampt und noch heute eine begeisterte Camperin.

Sie beschloß, dem Obdachlosen eine gute Ausrüstung zu schenken. Die 300 Euro würden ihr nicht fehlen. Außerdem würde sie sich freuen, wenn sie dann immer noch anonym ihr Geschenk bewundern könnte.

Sie kaufte eine richtige Iso-Matte mit Schlafsack – beides für Temperaturen bis Minus 20 Grad geeignet.

Morgens um 3 Uhr schlich sie sich zu der Brücke und legte ihr Geschenk neben dem Obdachlosen ab. Sie hatte ein Kärtchen angeheftet. Frohe Weihnachten! Katrin

Katrin ging beschwingt nach Hause und trank noch ein Glas Rotwein.

Olli wachte gegen 5 Uhr auf, weil er pinkeln mußte. Er stolperte zum nächsten Baum und erleichterte sich. Erst dann sah er das Geschenk. Verpackt in Geschenkpapier und mit Schleife drum. Und ein Kärtchen dran.

Katrin? Wer ist Katrin? Egal. Er packte alles aus und staunte Bauklötzer. Das war unglaublich. Profi-Ausrüstung für das Überleben im Freien!

Olli schwor sich, jeden Abend ein Gebet für diese Katrin zu murmeln. Schließlich war diese Wohltäterin ein besonderer Mensch.

Im Schlafsack fand er dann noch einen 50-Euro-Schein. Olli strahlte.

Katrin schlief traumlos.


Ich wünsche allen Lesern ein Frohes Weihnachtsfest!